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    Die Brille im Wandel der Neuzeit
    ab 1950

Auszug aus unserem Angebot an originalgetreuen historischen NachbautenHOME



rst in den 1950er Jahren wurde die Entwicklung neuer Brillenformen, die im Ausland bereits erheblich vorangeschritten war, auch in Deutschland fortgesetzt. Um den Anschluss am Brillenmarkt nicht zu verlieren und Konkurrenzfähig zu bleiben übernahmen die deutschen Brillenhersteller schnell den neu aufgekommenen Trend der veränderten Brillen-Geometrien. Neue Materialien, allen voran verschiedene Kunststoffverbindungen, ermöglichten inzwischen eine Vielfalt von Formen- und Farbenentwicklungen bei der Gestaltung der Brillenfassungen. Erstmals wurde jetzt bei den Brillenfassungen eine Differenzierung zwischen Damen- und Herrenmodellen vorgenommen. Nicht zuletzt dadurch wurde die Brille endgültig zum Designobjekt. Mit den herkömmlichen, rechts/links symetrischen runden, ovalen, octogonalen und pantoskopischen Fassungen, die vorwiegend aus Metal und Celluloid Material hergestellt waren, konnten die deutschen Hersteller ab den 1950er Jahren kaum gegen die ausländische Konkurrenz antreten. Besonders Frauen, die seinerzeit schon im Gegensatz zu Männern die Brille eher als Accessoire, statt als Mittel zur Repräsentation akzeptierten, orientierten sich an der durch Film und Presse bekannten Eleganz ihrer französischen und amerikanischen Geschlechtsgenossinnen. Sie favorisierten in erster Linie nach oben geschwungene, schmetterlingsförmige Brillen in auffälligen Farbkombinationen oder einfarbig transparent colorierte Fassungen mit verschiedenen Verzierungen. Als Herrenmodelle etablierten sich neben den bewährten Formen vor allem kompakte Celluloidfassungen und Kombifassungen mit kräftiger Betonung der Brauenlinie.

Die Fa. Rodenstock, in den 1950er Jahren einer der führenden Brillenhersteller, machte auf den Wandel ihrer Brillenkollektion mit einer bahnbrechenden Werbekampagne, für die es damals noch gar keinen Namen gab, auf sich aufmerksam. Heute würde man "Image-Werbung" oder "Testimonial" dazu sagen. Somit war Rodenstock ohne Zweifel das erste Unternehmen, das dies mit Brillenfassungen und Sonnenbrillen unternahm. Noch in der tiefen "Vor-Fernsehzeit", lag es nahe, Kinostars zu verpflichten, ihre bekannten Gesichter mit Brillen des Hauses in die Kamera zu halten. Viele sagten zu - 1959 Beispielweise waren die Bilder von Hildegard Knef, Curd Jürgens, Brigitte Bardot, Carl Möhner oder Gina Lollobrigida mit Rodenstock-Sonnenbrillen in vielen Publikumszeitschriften wie "Stern", "Kristall", "Quick", "Firma und Frau" oder "Madame" zu sehen. Damit veränderte sich die Werbung - nicht nur bei Rodenstock: Aus der bisherigen Produktinformation wurde die Imagepflege der Marke geboren.

Nylor Modell Eine wichtige Neuerung sowohl bei den Damen-, als auch bei den Herrenmodellen, war die, von dem französischen Brillenhersteller "Essilor" entwickelte, so genannte 'Nylor-Brille', die ab 1955 auf den Markt kam. Diese Brillenform war die modernste Version der randlosen Brille und für damalige Verhältnisse sozusagen ein Minimum-Design. Nylonfäden hielten rundum die Gläser, die unter einem Metallträger mit hoch angesetzten Bügeln zu schweben schienen. Dadurch war nahezu jede Gläserform möglich. Viele Hersteller übernahmen dieses Prinzip und verwenden es bis heute. Während die Hersteller in Frankreich und Amerika während der 50er Jahre hauptsächlich moderne Kunststoffe verwendeten, hielten die deutschen Hersteller zunächst am bewährten Celluloid fest. Der entscheidende Nachteil des Materials war jedoch seine schnelle Entflammbarkeit, was nicht selten Brände in den Produktionsstätten zur Folge hatte. Importverbote für Celluloidbrillen in Frankreich und Amerika führten schließlich dazu, dass sich auch die deutschen Firmen mit erheblicher Verspätung auf den im Ausland vorwiegend verwendeten Kunststoff Acetat umstellten.

Bis zur Mitte der 1960er Jahre war die Fassungsherstellung in Deutschland wenig automatisiert und daher sehr aufwendig. Die Produktion einer Metallbrille erforderte etwa 100 Einzelschritte, bei Kunststoffbrillen lag der Wert geringfügig niedriger. Ausgangsmaterial für Kunststoff-Fassungen bildeten Acetatplatten in verschiedenen Einfärbungen und Materialstärken. Fassungen und Bügel wurden aus diesen Platten herausgefräst das einen hohen Materialverlust zur Folge hatte, die Bügel wurden über die gesamte Länge durch Metallprofile verstärkt und mit einem Scharnier angenietet. Übergänge mussten gefeilt und geschliffen, die ganze Fassung schließlich von Hand poliert und gerichtet werden. Acetat konnte auch als Granulat im Spritzgussverfahren hergestellt werden, das allerdings eine Einschränkung der Gestaltungsmöglichkeiten bei Farben und Formen bedeutete.

Auf der Suche nach einem noch besseren Werkstoff für Brillen wurde schließlich 1968 das 'Optyl' entwickelt, ein Kunststoff, der bis dahin im Computer- und Raketenbau Anwendung gefunden hatte. Das Material bot nicht nur den Vorteil, leicht, hautneutral, hitzefest und formstabil zu sein; es wurde außerdem nicht in aufwendiger Fräs- oder Spritzgusstechnik verarbeitet, sondern konnte im Vakuum- Gießverfahren gegossen werden, was eine Serienfertigung von Fassungen unter erheblicher Zeit- und Materialeinsparung möglich machte. Bei Brillen aus Optyl wurde nicht das Ausgangsmaterial, sondern die fertige Fassung eingefärbt. Dadurch konnten die Hersteller ein breiteres Farbenspektrum anbieten und rascher auf Modetrends reagieren. Aus diesem Werkstoff wurden in den 1970er Jahren die ersten Brillen-Fassungen mit Modelabels produziert. Brillenhersteller holten sich renommierte Designer und Modeschöpfer ins Haus und vermarkteten ihre Brillen mit dessen Label. Mit Namen wie Christian Dior, Piere Cardin, Yves Saint Laurent, Gionfranco Ferré waren die ersten Modellbrillen geschmückt. Es entstand ein neues Brillenbewusstsein. Mann und Frau schmückte sich mit den Namen der Modeschöpfer im Gesicht.
Von hier an gelangten die eigentlichen Herstellernamen beim Brillenträger immer mehr in den Hintergrund da die Brillenhersteller dem Modelabel eine höhere Wertschätzung gaben wie Ihrem eigenen Firmennamen. Die Trendwenden in der Mode erforderten allerdings auch ein komplett neues Design. So wurden die geschwungenen Formen im Laufe der 70er Jahre durch strengere geometrische Linien ersetzt, und nach den bunten Farben gaben wieder dunklere Modelle den Ton an. Der modische Wechsel der Brillenformen beschleunigte sich enorm. Während die Modelle der 50er Jahre oft über eine Laufzeit von 10-15 Jahren hergestellt wurden, wechselten sie 20 Jahre später in zwei bis maximal fünf Jahren, ab Mitte der 1970er Jahre erschienen sogar jährlich neue Brillen Kollektionen.

Es war der Beginn der "modernen" Mode, der den Brillen-Markt und das Kaufverhalten von da weg prägte. Zwei Namen, die eng mit der Entwicklung des modernen Brillendesigns verbunden sind, seien hier stellvertretend für die unzähligen, kreativen Designer genant.

Alain Mikli Der Franzose Alain Mikli gilt als der Schöpfer moderner Brillen schlechthin. Sowohl in Fachkreisen als auch von seinen Designkollegen wird er als begnadeter Avantgardist anerkannt. Der Österreicher Cari Zalloni prägte von 1975 an die Gestaltungsentwicklung in der Brillenindustrie und bestimmte sie mit seiner Marke "Cazal" entscheidend mit.

In den 1970er Jahren wurden die Brillenfassungen erheblich größer und bunter. Die wohl nachhaltigste Entwicklung bei der Brillenmode der 1970er Jahre war schließlich um 1974 die erste Wiederentdeckung und Neuauflage der 'Ray-Ban' Brille. Die Fassungsform mit dieser Bezeichnung war ursprünglich 1937 in den USA von der Fa. Bausch & Lomb als Sonnenbrille für Piloten der US-Streitkräfte entwickelt worden. Kennzeichnend für diese 'geschlechtsneutrale' Form, die bis heute in zahlreichen Variationen ihrem Platz im Sortiment der Optiker behauptet, sind tropfenförmige, weit zu den Wangen herunterreichende Gläser und ein gerader Verbindungsbalken über dem Nasensteg. Eine zweite Wiederentdeckung widerfuhr dem Ray Ban Modell in der Mitte des 2000er Jahre als "coming back" eines Kultlabels das jedoch mit den ursprünglichen Qualitätsansprüchen der "Marke" nicht mehr viel gemeinsam hat.

Nylor Modell Mitte der 1980er Jahre entwickelte der Däne Poul-Jørn Lindberg gemeinsam mit dem Architekten Hans Dissing ein Brillenbausystem der anderen Art: Air Titanium. Mit diesen Titanbrillen-Konzepten hat LINDBERG den internationalen Brillenmarkt revolutioniert. Seine Brillen behaupten sich durch optimalen Elastizität und Leichtigkeit. Die von Poul-Jørn Lindberg entwickelte Materialverbindung ohne Schrauben, Lötungen oder Nietungen revolutionierte das Brillendesign.

Otmar Alt Brille Eine bahnbrechende Neuerung auf dem Gebiet der Brillen waren die in den 1990er von Künstlern gestaltete Brillenobjekte. Es entstand ein neues Brillengesicht - "Kunst vor Augen" wurde zum Motto, das Brillen zu Sehobjekten machte. Hier sind zwei bildende Künstler, stellvertretend für eine größere Anzahl an kreativen Künstler, genant die sich ganz besonders hervorhoben und den Weg der Brille in die Kunst ebneten. Otmar Alt machte 1993 den Anfang mit einer Brillenkollektion die im engen Bezug zu seiner Kunst entstand. Er brachte neue Farben und Farbenflächen in die Welt der Brille. Franz Ruzzicka revolutionierte die Geometrie der Brille mit extremen Formen die er zum Teil aus historischen Vorgaben der Renaissance ableitete. Die Kreativität der Künstler brachte frischen Wind ins Brillendesign.

Ebenso war in den 1990er Jahren der Trend zu kleineren Gläserformen zu beobachten, der sich bis heute durchsetzte. Ähnlich wie in der restlichen Mode ist bei den Brillen bis heute keine einheitliche Tendenz mehr vorgegeben. Stattdessen existiert eine Modellpalette von großer Bandbreite, zu der zunehmend Neuauflagen klassischer Modelle gehören.


SWR Beitrag aus Kaffee oder Tee vom 12. November 2012:

Vom Lesestein im 13. Jahrhundert über Niet-, Bügel- und Riemenbrillen bis hin zu den modernen Brillen ab 1950 mit neuen asymmetrischen Glasformen, zeigte und erklärte Augenoptikermeister Robert Holz aus Boppard in einem 8 Minuten Life-Beitrag spannendes zur Brille.


Dieser Artikel entält Auszüge aus dem Buch "Der geschärfte Blick" von Frau Dr. Susanne Buck.

Empfehlung

Eine Kulturgeschichte der Brille seit 1850

Für Interessenten, die sich tiefer in die Geschichte der Brille einlesen möchten, gib es hier einen Link zum Buch Der geschärfte Blick, eine Doktorarbeit von Susanne Buck, die auf alle Facetten des Themas ein geht und damit ein spannendes und informatives Buch zur Geschichte unserer Brillen- und Alltagskultur liefert.


Gina Lollobrigida

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Curd Jürgens

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Marianne Koch

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Roy Black

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Brigitte Bardot

Einen kleinen Skandal gab es 1960, als Brigitte Bardot in Paris Rodenstock-Plakate mit ihrem Konterfei und einer Korrektions-Brille beschlagnahmen ließ. Offensichtlich war die persönliche Eitelkeit im Nachhinein doch etwas höher als das Honorar.

Ray Ban in den 1960er

Ray Ban in den 1960er

Toni Sailer

Sportler Werbung in den 1960er mit Toni Sailer

Senta Berger

Senta Berger

Sonnenbrillen der 70er

Sonnenbrillen aus Optyl in den 70er

Cazal

Cazal Brille der 80er

Franz Ruzicka

Franz Ruzicka Edition der 90er

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