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Kultur- und Sozialgeschichtliche Bedeutung

der Brille

 

Das Repräsentationsbedürfnis der begüterten Stände machte aus der Brille und anderen Sehinstrumenten ein Wirkungsfeld des Kunsthandwerks. Stiele von Lesegläsern und Eingläsern, Brillenfassungen und Etuis sowie Schalen von einschlagbaren Lorgnetten wurden virtuos gestaltet. Gold und Silber, Edelsteine und Perlen, Schildpatt und Perlmutt, Horn und Elfenbein waren nicht zu teuer; man modellierte, ziselierte und emaillierte. Diese Zeugen eines schöpferischen Kunsthandwerkes werden natürlich mit viel Liebe gesammelt, da sich nicht zuletzt in den Formen und Ausführungen die Epoche, in der sie geschaffen wurde, wiederspiegelt.

 

spanische Prunkschläfenbrille aus Silber mit Etui, um 1740     Optisches Depo     Klappstiellorgnette aus Perlmut, um 1800

 

Die Brille in der Malerei

 



In der bildenden Kunst findet man verhältnismäßig viele Brillendarstellungen. Die Brille beeinflußt das Aussehen und Ansehen des Menschen; und sie kostet auch etwas. Psychologische und soziologische Gesichtspunkte spielen deshalb in der Geschichte der Brille eine Rolle.

Die Datierung von Werken der darstellenden Kunst spielt bei der Erforschung der Geschichte der ersten Brillen eine dominierende Rolle, da es zunächst keinen einzigen Fund gab. Erst 1953 wurden im Kloster Wienhausen bei Celle einige Nietbrillen gefunden.
Später folgten weitere Funde in London, Marburg und Freiburg. Die Fassungen dieser ersten Brillen bestanden aus hauchdünnem Holz. Dieses empfindliche Material machte diese Nietbrillen zu sehr vergänglichen Gebilden.

Darstellung einer Nietbrille       Darstellung einer Nietbrille ... Darstellung einer Nietbrille    

So waren zunächst Fresken, Tafelbilder, Buchmalereien und Skulpturen langlebigere Zeugen aus dem Mittelalter. Die wohl älteste datierte Brillendarstellung schuf Tommaso da Modena 1352 in seinen Fresken im Kapitelsaal des Klosters San Nicoló in Treviso. Als Beispiel aus der Buchmalerei sei eine um 1380 handgeschriebene Bibel genannt. In einem Initial findet man dort den Evangelisten Lukas mit einer Nietbrille. Beinahe so präzis wie eine Konstruktionszeichnung ist die Darstellung einer Nietbrille in einem 1466 geschaffenen Gemälde von Friedrich Herlin im linken Seitenflügel des Hauptaltars von St.Jakob in Rothenburg o.d. Tauber. Brillen sind auch in den farbenprächtigen Glasmalereien mittelalterlicher Dome dargestellt. So trägt einer der Apostel in der um 1520 geschaffenen Glasmalerei "Tod der Maria" im Dom von Xanten eine Brille.

älteste Brillendarstellung     Die wohl älteste datierte Brillendarstellung ... älteste Brillendarstellung    

 

Machen wir einen Sprung über einige hundert Jahre. Unser Jahrhundert ist nicht nur die Epoche der technisch-wissenschaftlichen Perfektionierung der Brille, sondern auch eine Zeit rasch wechselnder Kunststile. Zwei Beispiele möchte ich nennen: Im "Selbstbildnis mit gelber Brille" des Expressionisten Karl Schmidt-Rottluff beherrscht eine breitrandige gelbe Brillenfassung das Bild. Dagegen verschmelzen die Augengläser mit der Physiognomie in dem impressionistischen Selbstbildnis an der Staffelei von Max Slevogt.

 

Bildausschnitt des Selbstbildnis mit gelber Brille von Karl Schmidt-Rottluff Bildausschnitt des Selbstbildnis an der Staffelei von Max Slevogt

 

Selbstverständlich finden sich Brillen auch in Karikaturen. Die Brille als Attribut deutet nicht immer auf Bildung, Würde oder Alter hin. Die Skala reicht vom Spott bis zur Dämonisierung. Denn die Brille wurde von manchen in ihrer Wirkung nicht verstanden, für Teufelswerk gehalten.

 

der belesene Harlekin